Sportler*innen in Uniform
Mit Hoheitsabzeichen.
Mitglieder der Sportfördergruppe
der Bundeswehr in Warendorf
„Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.“ So war der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges noch im Februar 2022 zu vernehmen. „Bedingt einsatzfähig“: Das gilt aber auf keinen Fall für die Sportsoldat*innen der Bundeswehr. Sie sind fast an der Hälfte aller Medaillen bei Olympischen Spielen beteiligt. Viele
sind Standorten in NRW zugeordnet, genauer in Köln und Warendorf. „Wir im Sport“ hat sich auf Spurensuche begeben. Eine Geschichte über ein beeindruckendes Fördersystem und wie der Krieg auch die Topathlet*innen in Uniform verändert. …
Warendorf, das romantische Städtchen im Münsterland, ist bekannt für seinen Reitsport. Doch was wenige wissen: Dort findet sich auch ein wahres Juwel der Spitzensportförderung: die Sportschule der Bundeswehr. Am Rande des Ortes, auf dem Gelände der Georg-Leber-Kaserne gelegen, bietet sie auf einer Fläche von 40 Hektar Sportstätten vom Feinsten: Plätze und Hallen vom Schwimmsport bis zur Leichtathletik – und eine imposante Reithalle. Umrahmt von hellen, unter Denkmalschutz stehenden Kasernengebäuden aus den 1930er Jahren, strahlt die Anlage geradezu eine heitere Stimmung aus. Es fällt schwer, militärisches zu vermuten. Doch die uniformierte Wachmannschaft am Eingang macht klar: Hier erfolgt ein „Spagat zwischen den Welten Spitzensport und Militär“, wie es der Kommandeur der Sportschule, Oberst Rüdiger
Jorasch, formuliert.
im spagat
Ein Spagat, der so aussieht: Kernaufgabe der Einrichtung ist es, Trainer*innen und Übungsleiter*innen in der Bundeswehr auszubilden. Sie sollen in den jeweiligen Truppenteilen vor Ort die Fitness der Soldat*innen fördern. Aus einem ernsten Grund, denn oberstes Ziel ist deren Befähigung zum Kampf. Dazu zählt nun mal körperliche Leistungsfähigkeit.
Die für den Spitzensport in Nordrhein-Westfalen herausragende Bedeutung der Schule liegt aber woanders: In der Sportfördergruppe, für die sie „truppendienstlich“ verantwortlich ist. „Rund 110 Athlet*innen aus 20 Disziplinen betreuen wir hier“, erläutert deren Leiterin, Oberstabsfeldwebel Kerstin Stegemann, „das ist die größte Anzahl bundesweit.“ Die zweimalige Fußballweltmeisterin war einst selbst Mitglied einer solchen Gruppe und fand in ihrer jetzigen Funktion ihre
berufliche „Anschlussverwendung“. Fünfzehn solcher Fördergruppen gibt es in Deutschland, in NRW neben Warendorf noch in Köln. Rund 870 deutschen Spitzensportler*innen, aus olympischen, paralympischen und nicht-olympischen Sportarten soll so der Weg an die Spitze gebahnt werden.
Doch wie sieht der Alltag eines Sportsoldaten aus? Vormittags mit der Waffe in der Hand auf dem Schießstand, nachmittags in Trainingskleidung in der Sporthalle und im Krisenfall an die Front? Das könnte man im ersten Moment vermuten. Doch dies entspricht in keinster Weise der Realität. So durchschreitet Sportsoldat Oberfeldwebel Matyas Szabo in Köln das Tor zur Lüttich Kaserne eher selten – und schon gar nicht mit einer Waffe im Gepäck. „Im wesentlichen bin ich nur dort, um organisatorische Dinge zu erledigen oder um in Lehrgängen
militärisches Grundwissen aufzufrischen“, erklärt der Olympiateilnehmer, Welt- und Europameister im Fechten. Der
„Trainingsdienst“ findet außerhalb in naheliegenden Olympia- und Bundesleistungsstützpunkten, im Heimatverein wie dem TSV Bayer Dormagen oder in Trainingslagern statt. Ein Kasernenleben mit Morgenappell und Kameraden in der Stube, das entspringt eher der Phantasie des Betrachters. „Unser Job ist der Sport“, unterstreicht Szabo, „mir war klar, dass ich zur Bundeswehr will, weil es die einzige Möglichkeit ist, den Leistungssport professionell zu verfolgen. Vor allem in einer Randsportart wie Fechten, wo es ohne Sponsoren sehr schwer ist.“
„24/7“, rund um die Uhr,
den Rücken frei für den Sport
In der Tat ist das Bild der Sportsoldat*innen in der Öffentlichkeit äußerst vage, obwohl die Bundeswehr der größte Förderer des Leistungsports in Deutschland ist. 46 Millionen Euro ließ sich der Bund dies alleine im vergangenen Jahr kosten. Geld, das unter anderem dem Lebensunterhalt der Athlet*innen dient. Oberstabsfeldwebel Dietmar Mahrhold, Leiter der Fördergruppe in Köln, und Dienstvorgesetzer von Szabo erläutert:
„Die Bundeswehr sorgt für eine soziale Absicherung, damit die Athlet*innen „24/7“, also rund um die Uhr, an jedem Tag der Woche, den Rücken frei haben, um zu trainieren und an Wettkämpfen teilzunehmen.“
Zur sozialen Absicherung zählt neben dem Sold der Aufbau einer beruflichen Perspektive. So ist eine Laufbahn in der Bundeswehr ebenso denkbar wie ein begleitendes Studium an einer zivilen oder einer Universität der Bundeswehr. Auch Fernstudien sind möglich. Denn automatisch auf Rosen gebettet ist ein Mitglied einer Fördergruppe nicht. Jährlich gilt es zu beweisen, dass man den sportlichen und dienstlichen Anforderungen entspricht. Schon eine unerwartete Verletzung kann das Aus bedeuten. Daher arbeiten Stegemann und Mahrhold eng mit der Laufbahnberatung der jeweiligen Olympiastützpunkte vor Ort zusammen, um eine duale Karriere auch im zivilen Leben zu ermöglichen.
Zurück nach Warendorf. Feldwebel Matthias Sommer ist seit sechs Jahren Soldat auf Zeit und gewann just in Peking die Bronzemedaille im Zweierbob. Ohne das ebenfalls auf dem Gelände der Kaserne beheimatete „ZSportMedBw“, das „Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr“, wäre das wohl nicht gelungen. Denn der Topathlet war am Knie verletzt und absolvierte dort vor den Spielen eine umfangreiche Reha. Im ZSportMedBw treffen militärisches und sportliches aufeinander. Einerseits fungiert die Topadresse nicht nur truppenärztlich, sondern ist die zentrale Untersuchungs-, Ausbildungs- und Forschungsstelle der Bundeswehr auf dem Gebiet der Sportmedizin, Prävention und Rehabilitation.
Andererseits „...sind wir ärztlich auch für alle Sportsoldat*innen in ganz Deutschland verantwortlich, arbeiten dabei eng mit Verbandsärzten zusammen, machen nicht nur Leistungsdiagnostik“, fasst Oberfeldarzt Dr. Christoph Holtherm,
zusammen. Darüber hinaus ist man bemüht, einsatzversehrten Soldaten*innen die Teilnahme am Parasport* zu ermöglichen. Afghanistanveteran Oberfeldwebel Tim Focken** nahm so als erster kriegsverletzter Soldat an den Paralympischen Spielen in Tokio teil.
kein fronteinsatz
Für die Mitglieder der Sportfördergruppen ist ein Fronteinsatz übrigens nicht vorgesehen. Sie würden im Ernstfall zum Beispiel zur Bewachung und Sicherung militärischer Anlagen im Land abgestellt. Aufgaben mit eigener Brisanz... Für Stabsunteroffizier Anna-Maria Wagner keine Frage. Die Weltmeisterin im Judo und Olympiadritte von Tokio ist seit 2015 Sportsoldatin. Für sie ist klar: „Die Bundeswehr war all die Jahre für mich da. Wenn sie mich braucht, bin ich für sie da.“
Wie wird man Sportsoldat*in?
Gefördert werden Kaderathlet*innen der Spitzenverbände olympischer, paralympischer und nicht-olympischer Sportarten im DOSB. Ihre Aufnahme erfolgt über einen Antrag der jeweiligen Spitzenverbände an den DOSB, der nach Prüfung Kandidat*innen der Bundeswehr vorschlägt.
Rechte und Pflichten
Sportsoldat*innen absolvieren eine militärische Grundausbildung und werden als freiwillig Wehrdienstleistende für elf Monate eingestellt. Jährlich wird geprüft, ob die sportlichen und dienstlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung gegeben sind. Training, Vorbereitung und Wettkampfteilnahme haben Priorität. Zu den wichtigsten Pflichten zählt es, Deutschland und die Bundeswehr in der Welt zu repräsentieren.
Duale Karriere
Spitzensport und Berufsförderung (Ausbildung, Studium) sind durch optimale Rahmenbedingungen vereinbar. Berufssoldatentum und Dienst auf Zeit sind ebenfalls möglich.
WeiterE Informationen
F bundeswehrkarriere.de/sportsoldat/168994
Ich konnte mir bis zu diesem Jahr nicht vorstellen, dass wir noch einmal einen Krieg in Europa haben. Ich fühle mich als Privatperson unwohl, weil es nah und unübersichtlich ist. Auch als Soldat, denn ich habe unterschrieben, dass ich dem Land diene mit allen Rechten und Pflichten. Andererseits sind wir als Sportsoldat*innen grundsätzlich für Einsätze vorgesehen. Im Training oder Wettkampf schränkt es mich nicht ein.
Matyas Szabo // Oberfeldwebel
Fechten // Olympiateilnehmer, Welt- und Europameisters // seit 2011 bei der Bundeswehr
Es ist schrecklich, dass in Europa ein Krieg so nah ist, aber ich konzentriere mich auf meinen Alltag. Ich habe einen Eid geleistet und ich bedauere nicht, in dieser Phase bei der Bundeswehr zu sein. Ich stehe zu 100 Prozent dahinter und kämpfe im Zweifelsfall auch für mein Land.
Anna-Maria Wagner // Stabsunteroffizier
Judoka // Weltmeisterin und Bronzegewinnerin in Tokio
seit 2015 bei der Bundeswehr
Ich bin nach dem Abitur zur Bundeswehr, weil ich so optimale Trainingsmöglichkeiten habe. Auch absolviere ich hier eine Ausbildung zur Pferdewirtin. Natürlich rede ich mit Kamerad*innen über die politische Lage, im Reitsport spielen russische Teilnehmer*innen aber keine Rolle. Die Grundausbildung hat mich hinsichtlich der Einhaltung von Disziplin und Regeln geschult.
Jana Lehmkuhl // Hauptgefreite
Nachwuchstalent im Vielseitigkeitsreiten // seit 2020 bei der Bundeswehr
Die Spitzensportförderung der Bundeswehr ermöglicht es mir seit 2012, mich zu 100 Prozent auf meinen Sport zu konzentrieren. Mein Auftrag als Sport-Soldat lautet in erster Linie, mein Land sportlich erfolgreich zu vertreten.
Aber ich bin Sport-Soldat und habe mich als solcher verpflichtet, mein Land auch militärisch zu verteidigen.
Alexander Wieczerzak // Oberfeldwebel
Judoka // Weltmeister 2017, 3. Platz Weltmeisterschaften 2018
seit 2012 bei der Bundeswehr
Zu ihrem Auftrag zählt:
U.a. die Souveränität Deutschlands zu verteidigen und seine Bürger*innen zu schützen. Für Einsätze benötigt sie die Zustimmung des Bundestags. Sie kann auch eingesetzt werden, wenn ein NATO-Bündnispartner angegriffen wird.
*Quelle: Bundeswehr